Schreckensgespenst, überbewerteter Hype oder kreative Bereicherung? KI zog sich durch die Pictoplasma, verschiedene Anwendungen wurden gezeigt – und dazu umwerfende, handgemachte Animationen und Illustrationen, VR-Sculpting, Grafikdesign, Games und Toys und es wurde für Haltung plädiert.

Ausverkauft! Nach der Pandemie mit digitalen Formaten und einem verkleinerten Pictoplasma Festival mit Live-Schalten in die USA, nach Neuseeland oder Thailand, waren jetzt wieder alle vor Ort: Illustrator:innen, Animationskünstler:innen, Director, Character– und Gamedesigner:innen, Urban Artists, Image Maker und 3D-Studios aus Europa und dem Rest der Welt. Ganz so wie das Publikum, das zum Teil aus Singapur, Tokio oder Christchurch angereist war.
Auf dem Gelände des Berliner Silent Green saß man auf der Wiese und zeichnete, bastelte in Workshops Toys, bedruckte Sweater und T-Shirts mit Flockfolien-Designs und bejubelte die Speaker der dreitägigen Pictoplasma Conference.
Character Intelligence at the Dawn of AI
Und natürlich zog sich auch das Thema Künstliche Intelligenz durch das Festival. Bis in die Tür der Kuppelhalle standen die Zuhörer:innen, als es im Panel mit Pictoplasma Co-Founder Lars Denicke, Lisa Kolbe, Artdirektorin von der Freitag, Kunsthistoriker Roland Meyer von der Ruhr-Universität Bochum und Image Maker, KI-User und Conference Speaker Chris Hoffmann um »Character Intelligence at the Dawn of AI« ging – und damit waren Midjourney, DALL-E und Stable Diffusion gemeint.

Lisa Kolbe von der Freitag erzählte, dass sie KI bisher nur genutzt hätten, um einige Artikel über das Thema zu illustrieren und sie sich höchstens vorstellen könnte, KI als Tool einzusetzen, aber nicht zur Gestaltung. Schließlich sei der Output überhaupt nicht mit einer intelligenten Illustration zu vergleichen.
Roland Meyer von der Ruhr Universität verwies auf die amerikanische Publizistin und Professorin Kate Crawford, die immer wieder aufzeigt, dass Artificial Intelligence weder künstlich noch intelligent ist, da sie auf bereits Vorhandenes zurückgreift (das zudem mit Klischees, Rassismus und Nostalgie aufgeladen ist) und dazu permanent von Menschen gespeist werden muss.
Er zeigte zudem auf, dass KI vor allem einer Meme-Logik folgt, die Dinge zusammenbringt, die nicht zusammengehören. Ganz so wie den Papst im weißen Balenciaga-Daunenmantel eben.
Als »Rekombinations-Maschine« wurden KI-Programme beschrieben und deren Resultate eher wie ein Gang zum Flohmarkt. Und jemand aus dem Publikum warf ein, dass das Aufkommen der Fotografie, die Kunst nicht zerstört habe, sondern die Möglichkeiten der Kunst selbst befördert.
Chris Hoffmann, ein deutscher Image Maker, der in Haarlem lebt und auch die diesjährigen Pictoplasma-Plakate gestaltete, schätzt an seiner zeitweisen Arbeit mit KI, dass das eigene Ego in einem gewissen Maß aus dem kreativen Prozess herausnehme.
Sich der Künstlichen Intelligenz stellen
Ein riesiges Problem stellen aber natürlich das Copyright und die Autorenschaft bei KI dar. Die Firmen, die KI-Anwendungen anbieten, seien Black Boxes, die ihre Quellen nicht offenlegen, aber quasi das gesamte Internet als Open Source nutzen und es monetarisieren: der »Kommunismus der Kreativität werde auf diese Weise privatisiert.«
Immer wieder seien auch Wasserzeichen in den Bildern zu finden. Es laufen gerade aber auch erste Copyright-Klagen wie zum Beispiel von Getty Images. Gleichzeitig werden Menschen in afrikanischen Ländern dafür engagiert, traumatisierende Bilder herauszufiltern, mit Hungerlöhnen abgespeist und durch das Material, das sie sichten müssen, selbst traumatisiert.
Dennoch dürfe man KI auf keinen Fall einfach wegdrücken, sagte Chris Hoffmann, sondern man müsse sich ihr vielmehr stellen und mit ihr umgehen. Zudem entstünden zahlreiche gras-root Open Source Programme oder man trainiert seine eigene KI.
Vielleicht sei sie auch nicht so pessimistisch, was KI anginge, sagt Lisa Kolbe, weil sie bereits jetzt schon so gelangweilt von den mit KI-erzeugten Bildern sei, die auf ihre Art alle irgendwie gleich aussehen. In den letzten Jahrhunderten ging es immer darum, mit Ästhetiken zu brechen, um Neues entstehen zu lassen – und sie interessiere vor allem ein eigenständiger Stil und Ecken und Kanten.
Und davon konnte man auf der Pictoplasma Conference mit ihren 18 Speakern jede Menge sehen.
Animationskunst und tätowierte Linien
Während BAFTA-Preisträger und Regisseur Will Anderson, der auch den diesjährigen Pictoplasma-Trailer gedreht hat, zum Auftakt durch seine Arbeit und die Entwicklung der Cat Greg führte, erzählte die aus Chile stammende Illustratorin und Wahl-Berlinerin Keekee Kookoo, wie sie zum Tätowieren kam – und warum es weit mehr als ein Zeichnen auf Haut ist.

Ketnipz aka Hary Hambley reiste mit seinem großen Bruder und mit seinem Kinderfreund an, die beide auch Teil des Ketnipz-Universums sind, skizzierte die Entstehung des Characters Bean mit heute fast vier Millionen Followern auf Instagram – und erzähle, dass er nie richtig wusste, was er machen wollte. Während andere begannen, Medizin zu studieren und nach Oxford gingen, er auf seinem Bett und gezeichnet hat.
Heute macht er das ausschließlich auf dem iPad. Zumindest was Bean angeht. Eine Woche dauert es, seine kleinen, gefeierten Animationen herzustellen. Er zeichne sie sehr schnell, hole immer wieder Meinungen ein. Und das auch von seiner Großmutter und anschließend heißt es dann, es post & ghost.
Drehen sich Kommentare um Mental Health, reagiert er oft persönlich darauf auf die Kommentare, da er sich dann auch mit der Community auseinandersetzte möchte. Und das tat er anschließend auch auf der Pictoplasma, wo er von Fans immer wieder um ein gemeinsames Selfie gebeten wurde.
Yonk, ein Duo, das aus dem Grafikdesigner Niels van der Donk und der Künstlerin Victoria Young besteht, zeigte anschließend , wie es mit Virtual Reality Sculpting mitreißende und knallbunte 3D-Arbeiten entstehen lässt.
Und während Lalalimola aus Barcelona, die als Kinderbuchillustratorin begann, trotz ihres Erfolgs alles schmiss und stattdessen ins Editorial Illustration umschwenkte und Klienten wie The New Yorker oder El Pais hat, führte Moki durch ihr traumwandlerisch schönes und engagiertes Werk – und brachte Zeloot aka Eline van Dam aus Den Haag ihre Haltung auf den Punkt.
Für niederländische Off-Spaces, für Bands und Underground-Kultur hat sie viele Jahre lang Plakate gestaltet – und arbeitet heute als Editorial Illustratorin.
Aber erst, seit ihr klar wurde, welche politische Kraft auch Illustrationen haben können. Und auch, weil sie sich so unendlich schlecht gefühlt hatte, nachdem sie mal für »Geld eingeknickt sei« und für Heineken eine Kampagne illustrierte und gar nicht mehr aufhören konnte, sich zu schämen. Das Geld steckte sie schließlich in soziale Projekte und begann für The New York Times, Die Zeit, Die Süddeutsche oder für Institutionen wie das Filmfestival München zu illustrieren.
Mit Vorbildern wie Käthe Kollwitz oder Max Beckmann ist es ihr besonders wichtig, alles von Hand zu zeichnen. Und vor allem auch, nicht daran beteiligt zu sein, eine Welt zu formen, in der man selbst nicht leben möchte.
Aufträge von Konzernen lehnt sie ab. Jeder sagt Nein, wenn ein rechtes Magazin anfragt, sagte sie. Aber auch Coca Cola richtet Schlimmes an und daran sollte man doch eigentlich auch nicht beteiligt sein.
Das war einer der vielen interessanten Gedanken, die man von der Pictoplasma mitnehmen konnte, neben den Hunderten tollen Arbeiten, die man gesehen hat, der zahlreichen Tipps und Tricks und Arbeitsprozesse, die geteilt wurden, der Begegnungen und der unendlichen Inspiration.
Und zu allem spielte gleich mehrmals am Tag Mekanika – The World’s First Robotic Puppet Rock Band von Cabeza Patata: